Einblicke in das Freiwilligenjahr von Jann im Social Space for Deconstruction, Mitrovica* (Jahrgang 2022-23)

Zurück in Deutschland - noch fühlt sich alles komisch und surreal an. Wie ein Traum, in dem man während des Träumens bemerkt, dass man nur träumt und alles unecht ist. Verdammt, man, ich bin noch sehr weit davon weg, zu realisieren, dass das Kapitel Freiwilligendienst und der Kosovo zu Ende ist.

[…] Und auch wenn ich noch nicht ganz verstanden habe, dass ich in einer Woche nicht wieder im Bus zurück in den Kosovo sitzen werde, bin ich am vergangenen Freitag mit einer sehr tröstenden Gewissheit gegangen – mein Dienst hat etwas bewegt und verändert. Wenn auch nur im Kleinen und lokal stark begrenzt, war mein Einfluss auf den Social Space for
Deconstruction- SSD im letzten Vierteljahr alles andere als sinnlos - eine Gewissheit, nach der ich mich im Winter sehr gesehnt habe. Ja, das erste halbe Jahr war sehr turbulent und ist gefühlt irgendwie schon wieder so weit weg.


[…] Im letzten Viertel Jahr wuchs ich zu einem tragenden Pfeiler des SSD heran. Ich war verantwortlich für die „regelmäßige Pflege“ des SSD. Ich habe den SSD jeden Tag aufgeschlossen und abgeschlossen, regelmäßig durchgesaugt, aufgeräumt, Blumen gegossen oder war einfach nur da. Darüber hinaus […] habe ich Projekte, wie zum Beispiel,
die Schachabende oder Filmabende selbstständig geplant und ausgeführt. Ich habe aber auch die Ideen der Community aufgegriffen und basierend auf diesen Ideen Projekte geschrieben, Übersetzungen ins Serbische und Albanische organsiert und auf Social Media veröffentlicht. […] Ich habe auch Projekte und Camps, die der SSD angeboten hat, mitbegleitet und bin auf Wünsche von Teilnehmenden unserer Camps oder Events eingegangen, um diese zu erfüllen. […] Das Aufgabenfeld war sehr breit und vor allem vielseitig. […] Oft habe ich daher auch mehr gearbeitet als in meinen Arbeitsvertrag vorgesehen war. Dies ist aber keine Kritik, sondern es ist vielmehr meine persönliche Entscheidung gewesen, da ich nach dem ersten halben Jahr endlich das Gefühl haben wollte, etwas Nützliches zu tun. Und so hat es sich angefühlt, wenn ich im SSD ein Projekt vorbereitet habe. […]

Der SSD ist mir über die Zeit sehr ans Herz gewachsen. Dieser kulturelle und politische Raum ist für Mitrovica so unglaublich wichtig. Auch wenn von einem großen Teil der Bevölkerung entweder unbeachtet oder belächelt, ist der SSD ein safe space für Menschen, die im sehr religiös und konservativ geprägten Mitrovica ihren Platz nicht finden können. […]
Meine Arbeit im SSD hat mir auf jeden Fall gezeigt, dass ich später weiterhin in sozial-kulturellen Projekten engagiert sein möchte. Ich habe in dem letzten Jahr viele Erfahrungen sammeln können, wie eine Organisation funktioniert - Erfahrungen, die mir nützlich sein können, im Feld von freiwilligem Engagement tätig zu sein.

[…] Jetzt sitz ich hier in Erfurt auf meiner Couch und muss einfach nochmal sagen, wie dankbar ich für diese Erfahrung bin. Mein großer Respekt für eure Arbeit vom Friedenskreis, mir und auch den anderen diese einzigartige Gelegenheit ermöglicht zu haben!
Bis ganz bald mal, GaLiGrü Jann 😉

*Die im Norden des Kosovo gelegene Stadt Mitrovica ist auch heute noch von sozialer Ausgrenzung entlang ethnischer Linien geprägt. Seit dem Krieg und der darauffolgenden Gewalt ist die Stadt in zwei Hauptteile geteilt: den südlich des Flusses Ibar gelegenen Teil, der hauptsächlich von Albanern bewohnt wird und den nördlich des Flusses gelegenen Teil, der hauptsächlich von Serben bewohnt wird. Die Mitglieder dieser beiden Hauptgemeinschaften leben nicht mehr zusammen, haben nicht viel Kontakt miteinander und die meisten von ihnen haben immer noch Angst, die Hauptbrücke zu überqueren, die es ihnen ermöglicht, die andere Seite der Stadt zu besuchen.
Der Social Space for Deconstruction - SSD wird unserer Partnerorganisation GAIA unterhalten und hat zum Ziel, alternative Veranstaltungen und Aktivitäten in der Stadt anzubieten, die jedem offenstehen. Diskussionsrunden, Workshops und kulturelle Veranstaltungen. Die Idee dahinter ist, einen sicheren Raum für einen informierten Austausch zu schaffen, der Neugierde weckt und Stereotypen in Frage stellt. Das Programm des Sozialraums dreht sich um drei Hauptthemen: Bildung, Kultur und Umwelt.

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