„Immer wieder deutlich machen, dass Gewaltfreiheit einen festen Ort in der Kirche hat“

50 Jahre AGDF: Tagung „Christliche Friedensarbeit hat Geschichte“ in Bonn wirft Blick zurück, fragt aber auch nach künftigen Herausforderungen

Die Friedensarbeit wie auch die Friedensbewegung können in Deutschland auf eine lange, bewegte und wechselvolle Geschichte zurückblicken. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es hier die Debatte um die Wiederbewaffnung, die Großdemonstrationen in den 1980er Jahren, die friedliche Revolution in der DDR, die Entwicklung der zivilen Konfliktbearbeitung, der Friedensfach- und der Freiwilligendienste. Seit 1968 ist die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) Teil dieser Entwicklung, bei einer Tagung „Christliche Friedensarbeit hat Geschichte“ in Bonn blickte die AGDF in ihrem Jubiläumsjahr auf diese Zeit zurück, fragte aber auch nach den künftigen Herausforderungen, die sich aus dieser großen Tradition ergeben.

„Der Kirchentag 1967 in Hannover mit seinem Slogan vom Friedensdienst mit und ohne Waffen war ein Weckruf für viele. Friedensdienst mit Waffen, das war ein Widerspruch. Und es wurde deutlich: Friedensdienst ist eine Glaubensfrage. Neun Friedensorganisationen waren sich nach dem Kirchentag darin einig, dass diese Fragen eine Klärung und eine Positionsbestimmung erforderten. Dies war die Geburtsstunde der AGDF“, betonte Christine Busch, die AGDF-Vorsitzende, in Bonn. Es sei die Entscheidung gewesen für einen gewaltfreien, auf Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung ausgerichteten Friedensdienst mit verbindlichen Kooperationen, einem politischen Handeln und öffentlichen Aktionen. Und diese Entscheidung sei gut gewesen, so die AGDF-Vorsitzende.


„Ein wichtiger Grund für die Gründung der AGDF 1968 war die Erkenntnis, dass der Friedensdienst ohne Waffen dem Militärdienst nicht gleichgestellt und auch gesellschaftlich nicht anerkannt war“, erklärte Ulrich Luig, früheres Mitglied im AGDF-Vorstand. Dabei sei es um den Aufbau professioneller Strukturen gegangen, aber auch um die Akzeptanz des Friedensdienstes in Politik, Kirche und Gesellschaft, meinte er. Mit der finanziellen Förderung durch die EKD habe die evangelische Kirche hier erstmals den Friedensdienst als kirchliche Aufgabe anerkannt, unterstrich Luig.
 
„Und dann war man plötzlich Friedensbewegung“, meinte Jannis Gebken mit Blick auf die 1980er Jahre, als die AGDF ein wichtiger Bestandteil der westdeutschen Friedensbewegung wurde. „Der Verband war nun maßgeblich beteiligt an der politischen Debatte um den NATO-Doppelbeschluss und die Atomrüstung in Europa. Und gerade die Großdemonstration im Oktober 1981 im Bonner Hofgarten wurde zu einem identitätsstiftenden Mythos der AGDF, zu dem es aber eher spontan kam“, meinte Gebken, der längere Zeit Vorsitzender von ICJA Freiwilligenaustausch weltweit, einer AGDF-Mitgliedsorganisation, war und sich derzeit wissenschaftlich mit der Geschichte der AGDF beschäftigt.

Nach Ende des Kalten Krieges erfolgte eine Neuorientierung des Friedensverbandes. So kamen nach dem Mauerfall 1989 in der AGDF Ost- und West-Friedensgruppen zusammen. Viele hatten auch schon vor der Wende zusammengearbeitet, kannten sich. Und doch gab es unterschiedliche Erfahrungshorizonte der Akteure, die Einfluss auf die Arbeit hatten. „In den evangelischen Kirchen der DDR gab es starke pazifistische Strömungen, nach 1989 gab es hier einen deutlichen Bedeutungsverlust bei friedensethischen Aspekten in den Kirchen“, erläuterte der Soziologe Dr. Alexander Leistner von der Universität Leipzig. Auch bei vielen Friedensgruppen habe es in dieser Zeit einen Abbruch der Arbeit gegeben, ebenso eine Resignation bei vielen ehemaligen Aktiven. Dennoch könnten sich aus den Erfahrungen der Friedensarbeit in der früheren DDR auch für die heutige Zeit Herausforderungen für die heutige christliche Friedensarbeit ergeben, unterstrich der Soziologe, der zur Geschichte der unabhängigen DDR-Friedensbewegung forscht: „Angesichts der Konturen einer zunehmenden Militarisierung der Gesellschaft kann Friedensarbeit hier tätig werden. Es gibt einen steigenden Bedarf an Instrumenten ziviler Konfliktbearbeitung und es geht um die Unterstützung beim Prozess der Kirchen, zu Kirchen des Friedens zu werden.“

Es waren Perspektiven für die Zukunft, die der Wissenschaftler hier entwickelte. Denn Bonn war nicht nur ein Blick zurück. Bonn war auch ein Blick auf die künftigen Aufgaben und Herausforderungen, vor denen die Friedensbewegung und die Friedendienste, und damit auch die AGDF, stehen. Andreas Zumach, in den 1980er Jahren eine der maßgeblichen Persönlichkeiten der deutschen Friedensbewegung, Wolfgang Schlupp-Hauck von der Pressehütte Mutlangen oder Philipp Ingenleuf vom Netzwerk Friedenskooperation beispielsweise verwiesen auf die neuen Gefahren eines Atomkrieges nach Kündigung des INF-Vertrags und der atomaren Rüstung in der Welt. Dies müsse die Friedensbewegung wieder stärker in der Öffentlichkeit deutlich machen, forderten sie.

Gleiches gelte für die zivile Konfliktbearbeitung, unterstrichen Bernd Rieche von der AGDF und Dr. Reinhard J. Voß, der Vorstand des internationalen christlichen Friedensdienstes EIRENE. Deren Entwicklung gehörte zu den großen Herausforderungen nach Ende des Kalten Krieges. Gerade angesichts einer wachsenden Kriegsgefahr, einer wieder drohenden atomaren Aufrüstung und einer zunehmenden Konfrontation von Staaten in der Welt sei es unverzichtbar, die Methoden gewaltfreier Konfliktlösungsstrategien zu fördern und auszubauen, machten die beiden in Bonn deutlich.

„Die AGDF steht für Friedensdienst, das ist ihr Markenkern“, betonte Ulrich Frey, der frühere Geschäftsführer der AGDF. Dies würde das Profil des Friedensverbandes ausmachen. Und dabei zeichne sich das Engagement der AGDF gleich durch mehrere Säulen aus, so Frey, der fast 30 Jahre lang maßgeblich die Geschicke des Verbandes bestimmte. „Dazu gehört die ökumenische Zusammenarbeit, es ist die Gewaltfreiheit, es ist der Blick auf Europa mit dem Aufbau eines europäischen Friedensdienstes. Und es war bis 1989 auch immer eine gesamtdeutsche Zusammenarbeit über die innerdeutsche Grenze hinweg“, unterstrich Ulrich Frey.

Der Arbeit der Friedensbewegung sei es zu verdanken, dass heute in Deutschland in der Bevölkerung eine breite Zurückhaltung beim militärischen Engagement des Staates herrsche. Es sei der Arbeit der Friedensdienste zu verdanken, dass von der Politik die zivile Konfliktbearbeitung heute eine wichtige Rolle spiele. Und: „Die AGDF hat als erste die Friedenserziehung als wichtiges Arbeitsfeld erkannt, die Friedensforschung bekam hier einen wichtigen Stellenwert, das Thema Frieden wurde zu einem bedeutenden Themenbereich bei den Kirchentagen“, betonte Ulrich Frey.

Es sei in den 50 Jahren seit Bestehen der AGDF deutlich geworden, dass ein Friedensdienst mit oder ohne Waffen nicht gleichzustellen sei. „Der zivile Friedensdienst muss den Vorrang haben, die Gewaltfreiheit muss im Mittelpunkt stehen. Das müssen wir immer wieder deutlich machen“, forderte der frühere AGDF-Geschäftsführer. Und da sei auch nach 50 Jahren noch daran zu arbeiten, machte er deutlich.

Dennoch: „50 Jahre Friedensdienst, das hat gezeigt, dass Friedensarbeit auch Wirkung hat“, machte Dr. Annette Nauerth, die Vorsitzende des deutschen Zweiges des Internationalen Versöhnungsbundes deutlich. Und Antje Heider-Rottwilm, die Vorsitzende von Church and Peace, bekannte: „Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die friedenskirchliche Zusage der Gewaltfreiheit Jesu als Thema in der Kirche wahrgenommen. Es ist die Aufgabe von Verbänden wie der AGDF, dies auch immer wieder einzubringen und zu fordern und deutlich zu machen, dass die Gewaltfreiheit einen festen Ort in der Kirche hat.“ Für Christof Starke vom Friedenskreis Halle, stellvertretender Vorsitzender der AGDF, machte Bonn dabei deutlich: „Es lohnt sich, auf die Geschichte der AGDF zu schauen. Doch wir müssen uns dabei auch immer wieder klar machen, wie die damals wie heute wichtigen Themen der Friedensarbeit und der Friedensdienste auch die heutige junge Generation erreichen und begeistern.“

50 Jahre nach ihrer Gründung ist für Christine Busch, die AGDF-Vorsitzende, jedenfalls klar: „Die AGDF ist rege und rüstig, sie ist erfahren und lebendig, sie ist lernfähig und wissbegierig, sie ist kompetent und konstruktiv.“ 50 Jahre AGDF, das sei „unerschütterliche Hoffnung und Versprechen“, meinte sie und betonte: „Die Friedensarbeit hat offene Augen für die Fragen der Zeit. Und sie ist up to date, und doch noch nicht fertig.“

Dieter Junker
Verein für Friedensarbeit im Raum der EKD
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